Begriffe wie Persönlichkeitsentwicklung, Potentialentfaltung oder Selbstoptimierung geistern vor allem durch die Online-Welt. Dahinter steckt die Annahme, dass wir alle es selber in der Hand haben, wie wir ticken und dass wir an unseren Stärken und Schwächen arbeiten können.
Ehrlich gesagt sehe ich den Begriff der Persönlichkeitsentwicklung kritisch, weil ich das Gefühl habe, dass dahinter oft „Gurus“ stecken, die eigentlich gar nicht das Ziel haben, dass am Ende ihrer Behandlung glückliche und zufriedene Menschen heraus kommen – denn wer würde denn dann das nächste Buch, das nächste Seminar, das nächste Coaching buchen? ?
Nichtsdestotrotz ist es ja löblich, wenn man sich mit sich selbst auseinandersetzt und überlegt, wie man das verbessern kann. Bist du oft gestresst und angespannt und willst lernen, wie du ausgeglichener und stressresistenter wirst? Bist du oft schüchtern und wirst nervös, wenn du vor einer Menschengruppe sprechen musst? Dich in dieser Hinsicht weiterzuentwickeln ist sicher eine gute Idee und kann dir sowohl privat beim nächsten Date als auch beruflich bei einer Prüfung oder Präsentation helfen.
Es gibt viele Methoden für die Persönlichkeitsentwicklung. Neben den genannten Coachings und Seminaren (siehe oben – passt auf, wem ihr da vertraut) gibt es natürlich auch die Möglichkeit, sich selber einen Plan zu machen, wie man sich in dem ein oder anderen Bereich verbessert. Du könntest Bücher über Rhetorik und Public Speaking lesen – oder selbst ein Event organisieren und moderieren.
Sich Herausforderungen zu stellen und diese zu meistern ist ja doch der schönste Weg, zu wachsen, nicht wahr? Also überleg dir doch, wie du aus der Arbeit an deinen Schwächen ein Projekt macht kannst, das auch noch Spaß bringt.
Eins muss zu dem Thema aber noch gesagt werden…
Persönlichkeitsentwicklung muss nicht in einer Selbstständigkeit münden
Wenn man mit Persönlichkeitsentwicklung und den besagten Gurus in Kontakt kommt, führt kein Weg an Erfolgsstories vorbei: „Früher war ich ein unbeliebter, kranker Loser mit mangelndem Selbstbewusstsein. Jetzt bin ich erfolgreicher denn je und es geht mir in allen Lebensbereichen blendend! Ich verrate dir mein Erfolgsrezept…“ Dahinter steckt dann eine Kaufaufforderung für einen Flirtkurs, Diätpillen oder andere Produkte. Meist geht es sogar noch weiter und die Leser*innen werden zur Gründung ihres eigenen Unternehmens aufgefordert.
Menschen, die sich mit Persönlichkeitsentwicklung auseinandersetzen und andere dazu motivieren wollen, kommen am Ende bei den immergleichen Thesen heraus:
- Du hast Potential und solltest dein eigenes Ding machen!
- Du musst aus dem Hamsterrad/Mainstream ausbrechen!
- Du schenkst deine Lebenszeit deinem Arbeitgeber und bekommst dafür nicht genug Anerkennung und Geld!
- Wenn du dein eigenes Unternehmen gründest, erreichst du einen besseren Lebensstil und ultimative Freiheit!
- Das Leben auf Bali oder in Chiang Mai ist besser als im regnerischen und spießigen Deutschland!
Im schlimmsten Fall wird dir sogar ein schlechtes Gewissen gemacht – hast du schonmal Sprüche gehört wie „Wenn du die Heilung für Krebs entdeckt hättest, würdest du sie ja auch der Welt zugänglich machen, oder? Wieso hältst du dein Potential und deine Talente versteckt?“
Abgesehen davon, dass die Vorstellung eines einsamen Wissenschaftlers, der im verstaubten Kellerlabor plötzlich das ultimative Krebs-Heilmittel entdeckt, völlig schwachsinnig ist, halte ich solche Aussagen für problematisch. Sie grenzen für mich an emotionale Erpressung und ich halte es für unverantwortlich, jemanden einzureden, dass er sich uuuunbedingt selbstständig machen muss, weil er der Menschheit sonst seine tollen Talente vorenthält – vor allem, wenn man diese Genies in spe gar nicht persönlich kennt, sondern ihnen diese Botschaften im Podcast ins Ohr flötet oder von der Facebook-Werbeanzeige entgegenlächelt.
Selbst mit Talent und solidem Geschäftsmodell sollte es jeder Person freigestellt sein, ob sie sich ins Abenteuer Selbstständigkeit wagen möchte oder nicht. Es gibt einfach viele Menschen, die ein großes Sicherheitsbedürfnis haben und/oder zwar ab und zu über den Montag meckern, grundsätzlich mit ihrer Anstellung aber sehr glücklich sind.
Auf Instagram habe ich schon einmal über dieses Thema gesprochen und anscheinend einen Nerv getroffen: Mir haben mehrere Mädels emotionale Nachrichten geschrieben, dass sie von dem Entrepreneurship-Hype total genervt sind, weil bei vielen Botschaften mitschwingt, dass Leute mit „normalen“ Jobs nicht so mutig, intelligent oder cool wie angehende Gründer*innen sind.
Ich bin der Meinung, dass die Gründung eines Unternehmens eine wahnsinnig spannende Tätigkeit ist und ich jubel gerne allen Gründerinnen und Gründern zu! Gleichzeitig müssen wir anerkennen, dass das nicht der richtige Weg für jede*n ist und man sich auch mit Anstellung selbstverwirklichen kann.
Ein Passion Project neben dem Nine-to-Five kann dir helfen, dir die Bereiche in dein Leben zu holen, die dir noch fehlen. Du willst mehr mit Menschen machen, oder Verantwortung übernehmen? Etwas Neues lernen oder eine Fähigkeit anwenden, die bei deinem aktuellen Job nicht gefordert ist? Persönliche Weiterentwicklung kann auch in Balance zum Job stattfinden und muss diesen nicht ersetzen!
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